Erste modernisierte Stadtbahn eingetroffen

B-Wagen-Projekt nimmt Fahrt auf – Bahn muss vorm Einsatz zum „TÜV“.

Auf den ersten Blick nicht von einem Neufahrzeug zu unterscheiden – das ist der Anspruch für die 64 DSW21-Hochflurbahnen, die in den nächsten Jahren baugleich modernisiert werden. Diesen Anspruch erfüllt die erste modernisierte Bahn, die Anfang Juli per Schwertransport aus Leipzig eingetroffen ist, bereits jetzt. Bis sie in den Linienbetrieb gehen kann, wird es jedoch mehr als ein Jahr dauern – denn ähnlich wie bei den Neufahrzeugen muss sich auch dieses Premierenfahrzeug einem aufwändigen Abnahmeprozess unterziehen, bevor es in den Linienbetrieb gehen kann.

„Wir investieren in den kommenden Jahren rund 250 Mio. € in das »B-Wagen-Projekt«, das 98 Fahrzeuge umfasst“, erklärt DSW21-Verkehrsvorstand Ulrich Jaeger. Er erläutert, warum sich die Modernisierung der Bestands-Stadtbahnen auch finanziell lohnt: „Kosten in Höhe von rund 3,3 Mio. € für ein Neufahrzeug stehen Modernisierungskosten in Höhe von knapp 2 Mio. € pro Bestandsfahrzeug gegenüber – bei 64 Fahrzeugen ergibt das eine Ersparnis von rund 85 Mio. €.“

Hinzu kommt, dass DSW21 viele Baugruppen und Ersatzteile in Reserve vorhält, die bei bzw. nach der Modernisierung der Bestandsflotte weiter genutzt werden können. Außerdem wird bei 70 % der Fahrzeuge die Modernisierung mit der anstehenden Hauptuntersuchung gekoppelt. Auch das spart Ressourcen und verschlankt Prozesse.

Für DSW21 spielte bei der Entscheidung, die im Schnitt zwanzig Jahre alten Hochflurbahnen nicht auszumustern, sondern sie nach einem Retrofit – also einer Komplett-Modernisierung – weiterzuverwenden, aber auch der Aspekt der Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Betriebsleiter Ralf Habbes erklärt: „Beim Bau neuer Stadtbahnwagen entstehen enorme CO2-Emissionen. Durch die Weiterverwendung der Rohbauten und Gestelle werden wir rund 2.000 Tonnen CO2 einsparen und eine deutliche Laufzeitverlängerung erreichen. Wir gehen davon aus, dass die Fahrzeuge noch rund 25 Jahre im Betrieb bleiben.“ Für diesen Ansatz wurde das B-Wagen-Projekt 2023 mit dem „ZfK-Nachhaltigkeitsaward“ ausgezeichnet.

Aufwändige Abnahme für das erste Fahrzeug

Die 28 m lange, achtachsige Hochflur-Bahn mit der Nummer 348 des Typs B80 ist die erste von 64 Hochflurbahnen, die in den nächsten Jahren grundlegend modernisiert wird. Wenn sie nach einem aufwändigen Abnahmeprozess voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2025 in den Linienbetrieb gehen wird, können die Fahrgäste nicht erkennen, ob sie einer neuen Hochflurbahn oder in einem komplett modernisierten Fahrzeug sitzen. Diese sind auch technisch so identisch, dass sie problemlos miteinander gekoppelt werden können. DSW21 kann so die vollen Kapazitäten der Flotte flexibel nutzen. Für die Fahrgäste bedeutet die Modernisierung aber auch, dass sie in allen Hochflur-Bahnen zukünftig dasselbe Level an Sicherheit, Barrierefreiheit und Komfort geboten bekommen und von innovativen Features wie dem Kneeling, der optimierten Lüftung und der energieeffizienten Wärmedämmung profitieren können.

Umbauten erfolgen in Dortmund
Genau wie bei den Neufahrzeugen muss sich auch diese Bahn, die als Prototyp komplett bei der Firma HeiterBlick in Leipzig umgebaut wurde, einer aufwändigen Typ- und Serienprüfung unterziehen, die rund 15 Monate dauern kann. Bis die Technische Aufsichtsbehörde (TAB) die Freigabe erteilen wird, muss das Team von DSW21 eine Vielzahl von Checklisten und Terminen abarbeiten und etwa 16.000 Seiten Dokumentation ausfüllen. „Wir haben natürlich bei der Inbetriebnahme des Neufahrzeugs viele Erfahrungen sammeln können und werden später Prüfungen parallel stattfinden lassen, um den gesamten Prozess zu straffen“, meint Thomas Steinröder, Leiter Schienenfahrzeuge bei DSW21. „Andererseits müssen wir neben einem einzelnen Fahrzeug aber auch eine Traktion aus modernisiertem und neuem Fahrzeug abnehmen lassen. Das ist absolutes Neuland.“

„Die jetzt eingetroffene Bahn ging 2018 nach Leipzig, wo sie als Prototyp für die Modernisierung durch den Hersteller komplett zerlegt und vermessen wurde. Im Anschluss wurde sie dort neu aufgebaut und lackiert“, erläutert Betriebsleiter Ralf Habbes den Prozess. „Das war aufwändig, aber wir haben hier wertvolle Erfahrungen sammeln können. Diese Arbeiten werden wir für die folgenden 63 Bahnen zum größten Teil in der Stadtbahnwerkstatt von DSW21 selbst durchführen.“

Bei den zehn Bahnen des Typs B100 („Bonner Wagen“) lohnt sich eine Modernisierung wegen des hohen Alters (Baujahr 1974) und der Laufleistung dagegen nicht mehr. Die letzten verbliebenen Fahrzeuge sind nun endgültig ausgemustert worden. Die als Ersatzteilspender komplett ausgeschlachteten Fahrzeuge wurden inzwischen verschrottet. Drei ebenfalls nicht mehr fahrbereite Fahrzeuge werden den Ordnungsbehörden für Übungen zum Thema Terrorabwehr und Brandschutz zur Verfügung gestellt.

Der Fuhrpark, der aktuell aus 121 Wagen besteht, wächst durch die Neuzugänge bis zum Jahr 2031 auf 145 Fahrzeuge an: 98 Hochflurbahnen fahren auf den Linien U41, U42, U45, U46, U47 und U49 sowie 47 Niederflurbahnen auf den Linien U43 und U44.

Weiteres zum B-Wagen-Projekt lesen Sie hier(Medieninformation zur Premierenfahrt am 22. April)

Fotos von DSW21